Ein Modellhaus auf Euro-Banknoten als Symbolbild für das Tilgungsparadox

Was versteht man unter einem Tilgungsparadox?

Günstige Baukreditzinsen bedeuten, schneller wieder schuldenfrei zu sein: Bei dieser Annahme handelt es sich allerdings um einen Trugschluss – zumindest, wenn einem weiteren wichtigen Parameter nicht die nötige Aufmerksamkeit geschenkt wird. Dafür gibt es sogar eine eigene Bezeichnung. Es ist dann von einem Tilgungsparadox die Rede. Was der Begriff ganz konkret meint und wie sich dieses Phänomen umgehen lässt, darüber klären wir Sie hier auf.

Das Annuitätendarlehen als Grundlage für das Tilgungsparadox

Um das Tilgungsparadox zu verstehen, empfiehlt sich zunächst der Blick auf eine bestimmte Art der Immobilienfinanzierung. Nur die wenigsten erwerben Wohneigentum vollständig über Eigenkapital. Sie sind dazu veranlasst, sich für eine von mehreren Varianten eines Baukredits zu entscheiden. Die hierzulande am häufigsten gewählte Lösung ist das Annuitätendarlehen. Es zeichnet sich durch folgende Eigenschaften aus:

  • Für die Dauer einer vereinbarten Zinsbindung bleiben die monatlichen Raten stets gleich.
  • Die Raten setzen sich aus einem Zins- und einem Tilgungsanteil zusammen.
  • Gängige Zinsbindungsfristen liegen zwischen 5 und 20 Jahren.
  • Am Ende der Zinsbindungsfrist steht noch eine Restschuld zu Buche.
  • Um die Restschuld zu begleichen, ist eine Anschlussfinanzierung erforderlich.

Das Kernmerkmal des Annuitätendarlehens stellen die gleichbleibenden Raten dar. Sie bieten den Kreditnehmern Planungssicherheit für eine festgeschriebene Dauer und sind ein wesentlicher Grund, warum diese Finanzierungsform so populär ist. Dabei werden die Raten immer aus einem Anteil für die Tilgung und einem für den Zins gebildet.

Die Baukreditzinsen sind – vereinfacht beschrieben – die an die Bank zu entrichtende Gebühr für das Bereitstellen des Darlehens. Mit der Tilgung verringert der Kunde unterdessen seine Restschuld. Innerhalb der Raten verschiebt sich das Verhältnis dieser beiden Parameter immer mehr. Das liegt daran, dass die Zinsen lediglich auf die verbleibende Restschuld erhoben werden. Durch das kontinuierliche Abtragen dieser Summe verkleinert sich damit auch der Zinsanteil. Im Gegenzug wächst der Tilgungsanteil. Mit diesem Vorwissen lässt sich der Hintergrund eines Tilgungsparadox nun besser nachvollziehen.

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Niedrige Zinsen und ihr Zusammenhang mit dem Tilgungsparadox

Niedrigzinsphasen begünstigen die Entscheidung für ein Darlehen. Die hinter dem Tilgungsparadox stehende Erwartung lautet: Durch die geringen Baukreditzinsen lassen sich Kosten sparen und die Finanzierung ist schneller wieder getilgt. Genau das Gegenteil trifft allerdings zu, wenn der Fokus eben allein auf die Baukreditzinsen gerichtet wird. Bei einer jeweils identischen anfänglichen Tilgung dauert es länger, ein Darlehen mit niedrigen Hypothekenzinsen zurückzuzahlen als eines mit höheren Zinsen. Genau das meint das Tilgungsparadox.

Es lässt sich recht simpel erklären: Liegen die Baukreditzinsen auf einem geringen Niveau, verschiebt sich der Zinsanteil langsamer zugunsten des Tilgungsanteils. Das bedeutet in der Konsequenz, dass es mehr Zeit erfordert, die Restschuld zu begleichen, also auch über einen längeren Zeitraum Zinsen zu zahlen sind. Dadurch häufen sich unterm Strich höhere Zinskosten an. Um diesem Tilgungsparadox aus dem Wege zu gehen, heißt das: Bei einer Immobilienfinanzierung ist der Blick nicht nur auf die Baukreditzinsen zu richten, sondern ebenso auf die Höhe der anfänglichen Tilgung.

Wie sieht die Lösung für das Tilgungsparadox aus?

Das Tilgungsparadox liefert die Erkenntnis, dass es wichtig ist, sich nicht nur auf niedrige Baukreditzinsen zu konzentrieren. Sie allein sind letztlich nicht ausschlaggebend für günstige Konditionen eines Darlehens. Es kommt ebenso auf eine ausreichend hohe anfängliche Tilgung an. Gerade Niedrigzinsphasen laden dazu ein, diese höher anzusetzen. Umso schneller lässt sich das aufgenommene Darlehen bei einem geringen Zinsanteil zurückzahlen und der Kreditnehmer ist wieder schuldenfrei.

In derartigen Niedrigzinsphasen werden mindestens 2 Prozent für die anfängliche Tilgung empfohlen. Bei entsprechender Möglichkeit sind auch 3 Prozent denkbar. Das muss natürlich stets unter der Voraussetzung geschehen, dass der Kunde die Raten problemlos bedienen kann. Ratsam mag es zudem sein, bei den Konditionen auf Sondertilgungen zu achten. Diese außerplanmäßigen Zahlungen bieten sich insbesondere an, wenn zusätzliche Einnahmen zu erwarten sind – so etwa durch Gewinnausschüttungen oder Erbschaften. Sie erlauben es, das Darlehen noch zügiger zu tilgen.

Bei vielen Banken gelten Sondertilgungen als obligatorisch, manche erheben dafür einen Zinsaufschlag. Ein Vergleich verschiedener Angebote erleichtert es, die Konditionen zu finden, die auf die persönlichen Voraussetzungen am besten zugeschnitten sind. Bei der Anschlussfinanzierung ist das Tilgungsparadox ebenso zu vermeiden. Für sie gibt es 2 Möglichkeiten:

  • Prolongation – Verlängern der bestehenden Konditionen bei der aktuellen Bank
  • Umschuldung – Wechsel zu einem neuen Kreditinstitut

Die Prolongation würde bedeuten, dass die bisher geltenden Bedingungen der Immobilienfinanzierung fortbestehen bleiben. Falls sich Handlungsbedarf ergibt, kann der Kunde die Tilgung dabei allerdings nicht optimieren. Das ist aber mit einer Umschuldung möglich. Die damit verbundene Absicht liegt darin, noch günstigere Baukreditzinsen zu erhalten. Das erlaubt es wiederum, die Tilgung höher anzusetzen, ohne dass die monatlichen Raten dadurch höher ausfallen müssen als zuvor.

Beim Abschluss des ersten Darlehensvertrags empfiehlt es sich, eine lange Zinsbindungsfrist einzugehen, wenn die Baukreditzinsen niedrig sind und die anfängliche Tilgung hoch ist. So lässt sich dauerhaft von den attraktiven Konditionen profitieren. Sinkt das Zinsniveau im Laufe der Zeit weiter, kann nach 10 Jahren mit einer 6-monatigen Frist vom Sonderkündigungsrecht Gebrauch gemacht werden. So ist die Umschuldung auf einen noch günstigeren Vertrag möglich.

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Fazit: Günstige Baukreditzinsen allein machen noch keine günstige Finanzierung aus

Zweifelsohne ist es ein wesentliches Kriterium, bei der Wahl der Baufinanzierung auf den Zinssatz zu schauen. Wer dabei jedoch die Wahl einer ausreichenden anfänglichen Tilgungshöhe vernachlässigt, gerät unter Umständen in ein Tilgungsparadox: Während der Darlehenslaufzeit verringert sich dann der Zinsanteil langsamer und auch der Tilgungsanteil nimmt langsamer zu. Obwohl die Raten günstiger ausfallen, braucht es damit insgesamt mehr Zeit, den Kredit zurückzuzahlen, wodurch die Gesamtsumme der Zinskosten steigt. Tatsächlich erweist sich dann ein Darlehen mit höheren Zinsen unterm Strich als günstiger. Mit einer ausreichend hohen anfänglichen Tilgung dagegen kann sich die Gesamtlaufzeit der Finanzierung um einige Jahre verkürzen, was die zu zahlende Zinssumme reduziert. Sondertilgungen helfen dabei, noch schneller schuldenfrei zu sein.

Bildnachweis: LE Photo / Shutterstock.com

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